Mayahuel wird oft auf ihren Aspekt als Göttin des Trinkens und des Alkohols beschränkt. Sie scheint aber weitaus mehr gewesen zu sein. Zum einen eine viel weitreichendere Fruchtbarkeitsgöttin, als nur jene, die die Agave wächsen lässt. Zum anderen wird sie oft mit 400 Brüsten beschrieben bzw. dargestellt, mit denen sie alle anderen Gottheiten und die Menschen nährt.

Ernährerin aller Geschöpfe

Der mythischen Überlieferung nach ist Mayahuel eine jungfräuliche Göttin, die einst im Himmel unter dem Schutz ihrer Großmutter, einer Tzitzimime (Sternen-Dämonen) stand.

Der Gott des Windes raubte sie und floh mit ihr zur Erde. Er vereinigte sich mit ihr und sie verschmolzen zu  einem großen Baum mit zwei Ästen: einem männlichen und einem weiblichen Ast. Als das ihre dämonische Großmutter sah, stürzte dieses wutentbrannt vom Himmel zur Erde und griff den Baum an, in dem ihre Enkeltochter eingeschlossen war.

Die Pflanze aus dem Grab der Göttin

Dabei zerbrach der weibliche Ast in Stücke: Mayahuel war tot. In großer Sorge nahm der Windgott seine ursprüngliche Gestalt an und begrub die Knochen der jungfräulichen Göttin. Aus ihrem Grab wuchs die blaugrüne Magueypflanze, eine Agavenart, aus der Pulque gewonnen wird. Seither wurde Mayahuel in der aztekischen wie auch in der (Hochkultur) der Maya in Yucatán sowie bei den Tzeltales und Tzotziles im Bundesstaat Chiapas als Göttin der Agave und des Pulque verehrt.

Eine Version ihrer Geschichte erzählt, dass Mayahuel einst eine Bäuerin war, die die Fermentierung des Agavensaftes entdeckte. Damit erreichte sie bei den AztekInnen große Bekanntheit und Beliebtheit, sodass sie als Göttin der Agaven in die Geschichte einging. Aus dem Saft dieser Kaktuspflanze gewann sie eine berauschende Pulque — die man sich in etwa wie Bier vorstellen kann. Diese Pulpe wird auch als der Vorläufers des Tequila angesehen.

Es wird auch vermutet, dass sie gerade beim Volk der Maya so hochverehrt war, dass sie als deren allgemeine Fruchtbarkeits- und Schöpfungsgöttin galt.

Interessant ist in dem Zusammenhang auch die Namensverwandtschaft mit der indischen Göttin Maya und der griechisch-römischen Göttin Maia. Hier scheint es sich um ein weltumspannendes weibliches Prinzip von Fruchtbarkeit und Wachstum zu handeln.

Bei den indigenen Völkern Nord- und Südamerikas ist diese Art von Mythos sehr gebräuchlich — eine Göttin, die stirbt und begraben wird, kommt in Form einer wachsenden Pflanze zurück (häufig als Mais — siehe dazu z.B. auch Uti Hiata).

Ernährerin mit 400 Brüsten

Mayahuel wird oft auf ihren Aspekt als Göttin des Trinkens und des Alkohols beschränkt. Sie scheint aber weitaus mehr gewesen zu sein. Zum einen eine viel weitreichendere Fruchtbarkeitsgöttin, als nur jene, die die Agave wächsen lässt. Zum anderen wird sie oft mit 400 Brüsten beschrieben bzw. dargestellt, mit denen sie alle anderen Gottheiten und die Menschen nährt.

Es wird auch gesagt, dass sie mit ihren Brüsten 400 Kaninchen säugt, was wiederum auf ihren Fruchtbarkeitsaspekt hinweist, da Hasen und Kaninchen als Schützlinge oder Tiere der Göttin immer rege Fortpflanzungstätigkeit bedeuten.

Damit wird ihre Rolle als Mutter und damit Schöpferin und Ernährerin aller Geschöpfe der Welt deutlich. All das lässt darauf schließen, dass es nicht nur um Trunkenheit geht, der durch den vergorenen, alkoholhaltigen Agavesaft hervorgerufen wird, dem auch magische Wirkung zugeschrieben wird.

Mayahuel hat mir ihren vielen Brüsten auch Ähnlichkeit mit den Darstellungen der Artemis und es geht offenbar prinzipiell um Nahrung, die die vom Himmel gekommene Göttin gleich einer kosmischen Muttermilch bereit hält.

Allerdings beschützt sie auch alle, die vom Saft ihrer Pflanze betrunken sind. Dennoch ist Maguey bzw. Tequila in der Mesoamerikanischen Kultur nicht irgendein Gesöff, das man schnell hinunter leert, um betrunken zu werden. Es wird immer noch als „göttliches Geschenk“ angesehen, ist daher fast heilig und unterstützt so etwas wie Nationalstolz. Manchmal sagt man auch, der Saft der Magueypflanze ist das „Blut des Landes“, das direkt aus dem Herz der Göttin Mayahuel strömt.

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Die Geschichte von der betrunkenen Maus

Die Kultur rund um die Gewinnung, Verarbeitung und dem Genuss des Saftes aus der Magueypflanze ist mit der Weinkultur in Europa vergleichbar. Der Saft der Magueypflanze muss fermentiert werden, um genießbar zu sein und um seine Wirkung zu entfalten.

Eine Geschichte erzählt auch von einer Frau namens Mayahuel, die mit einem Bauern verheiratet war. Sie sah eines Tages eine Maus, die vom Saft einer Agave-Pflanze getrunken hat und davon ganz offensichtlich betrunken war. Sie nahm ein wenig vom Saft der Pflanze mit nach Hause und stellte es beiseite, während sie und ihr Mann ihr Tagwerk vollendeten. In dieser Zeit vergor dieser Saft. Als sie und ihr Mann ihn am Abend kosteten waren sie begeistert, sowohl vom Geschmack wie auch von der „magischen“ Wirkung. Sie teilte ihre Entdeckung mit den Menschen von Mexiko, die so dankbar waren, dass sie Mayahuel zur Göttin erhoben.

Mayahuel wird oft auf dem Rücken einer Schildkröte wie auf einem Thron sitzend dargestellt.

Oft ist sie dabei nackt und hält einen Becher Pulque in Händen. Oft hält sie in der anderen Hand eine Schlange bzw. einen Gurt. Mit diesem hilft sie in einer speziellen Art den Frauen bei der Geburt ihrer Kinder. Damit scheint sie auch so etwas wie eine göttliche Hebamme zu sein.

auch: Mayahual, Mayauel, Mayouel

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