Ein entscheidender Hinweis auf ihre Funktion ist vermutlich im Beinamen der Creiddylad enthalten: die „Hervorbringerin des Wassers“. Das ist vordergründig natürlich nicht so erstaunlich ist, da sie als Maien-Königin wieder alles Wasser fließen lässt, das bis dahin in den kalten Regionen noch gefroren war.

Die begehrte Mai-Göttin 

Am Hof des mythologischen Königs Arthus soll der Sage nach eine Dame namens Creiddylad gelebt haben. Sie soll die hübscheste aller Frauen der Britischen Inseln gewesen sein und wurde gleich von zwei Rittern von Arthus‘ Tafelrunde — Gwythyr fab Greidiaw und Gwynn fab Nudd — begehrt und verehrt.

Verlobt war Creiddylad mit Gwythyr. Kurz vor der Hochzeit wird sie allerdings von Gwynn entführt. Das brachte große Unruhe an den Hof.
Arthus wollte sich offenbar aus politischen Gründen nicht entscheiden, mit wem er Creiddylad nun verheiraten solle. Daher griff er zu folgendem Mittel: Er entzog er sie praktisch gänzlich der Welt und damit auch den beiden Kontrahenten, indem er bestimmte, die Hofdame Creiddylad zurück an den entlegenen Hof ihres Vaters, dem König Lludd Llaw Eraint — „Lludd of the Silver Hand“ zu schicken. Dort sollte sie fortan unverheiratet leben.

Zweikampf bis zum Jüngsten Gericht

Weiters bestimmte Arthus, dass die beiden Rivalen bis zum Jüngsten Gericht jeweils am 1. Mai (Beltaine) einen Zweikampf auszutragen hätten.

Der endgültige Sieger erhalte Creiddylad erst am Ende aller Zeiten zur Frau. Die überirdische Schönheit und das Entschwinden aus der realen Welt, also aus König Arthus‘ Hof und Königreich sowie ihre „Reinheit“ als „ewige Jungfrau“, trug entscheidend dazu bei, dass Creiddylad mehr und mehr zum Mythos wurde und in die Sagen- und Legendenwelt einging — bis sie schließlich von einer menschlichen Frau zu einer Göttin hochstilisiert wurde.

In diesem Mythos kann man allerdings mehr als ein simples „Dreiecks-Liebesdrama“ zwischen zwei Männern und einer Frau erkennen. Der Kampf um Creiddylad exakt am 1. Mai — jenem Datum, das in früherer Zeit die „Jahresnacht“ vom „Jahrestag“, also den Winter vom Sommer trennte, gilt symbolisch für die unterschiedlichen Mächte der Natur im Jahreslauf sein.

In einer Hälfte war sie die Frau des einen, in der anderen Hälfte die Frau des anderen Ritters. Das heißt, mit dem Kampf um Creiddylad ist wahrscheinlich sinnbildlich der Kampf des Sommers gegen den Winter gemeint.

Geprägt vom Wunsch, die wunderschöne Maienkönigin mit ihrer Wärme, ihrer ganzen Pracht, Blütenfülle und Fruchtbarkeit möge sich endlich zeigen. Das erinnert an die Geschichte der griechischen Göttin Persephone, die eine Jahreshälfte in der Unterwelt bei Hades, die andere in der Oberwelt bei ihrer Mutter, der Fruchtbarkeitsgöttin Demeter lebte.

Die Kraft der Göttin über die Jahreszeiten

Denn die Attribute von Gwyn fab Nudd, der die schöne Braut entführt haben soll, sind jene des Winters, er gilt als der Herrscher über die Unterwelt. Die Zeit seiner Herrschaft beginnt zu Samhain (1. November). Der von Creiddylad geliebte und auserwählte Bräutigam Gwythyr hingegen symbolisiert das „Sommer-Land“, er regiert über den Tag und wird auch als Sonnengottheit beschrieben.

Über beiden steht allerdings die Göttin. Sie gibt beiden männlichen Helden bzw. Götter zu jeder Jahreszeit ihre Kraft. Daher müssen sie auch um sie kämpfen. Jedem wird nur ein halbes Jahr Regentschaft zugestanden. Die Göttin ist immer da — Sommers wie Winters in allen Zeiten.

Gebieterin im Königreich ihres Vaters

Abgesehen von dem männlichen Geschachere und Machtgehabe rund um die hübsche Frau bzw. Göttin und der patriarchalen Interpretationen des Mythos, deutet die Bedeutung der immerwährenden Göttin darauf hin, dass auch die mythologische Lady Creiddylad als sehr mächtige und eigenständige Figur angesehen werden.

Im „Königreich ihres Vaters“, in das sie zurückkehrt, ist sie die Gebieterin. Wie so oft in der patriarchal geprägten Geschichtsschreibung hört man in den meisten Versionen dieses Mythos nichts von einer Mutter.

Wer ist die Mutter?

Ein entscheidender Hinweis auf diese ist aber vermutlich im Beinamen der Creiddylad enthalten: die „Hervorbringerin des Wassers“. Das ist vordergründig natürlich nicht so erstaunlich ist, da sie als Maien-Königin wieder alles Wasser fließen lässt, das bis dahin in den kalten Regionen noch gefroren war.

Diese Zuschreibung als Wassergöttin wird allerdings auch als Hinweis darauf gesehen, dass Creiddylad die Tochter von keiner Geringeren als der Walisischen Muttergöttin Don persönlich ist. Diese — mit der keltischen Danu verwandt — ist auch die Göttin des Leben spendenden Wassers.

Somit ist die Gebieterin des Landes die Göttin Don und ihr Heroe ist der mythologische Konig Lludd Llaw Eraint, der auch als der Begründer von London (Lon-don) gilt. Die gemeinsame Tochter Creiddylad ist damit natürlich die natürliche Erbin und Schutzgöttin von Wales.

Als diese gilt sie als Göttin, die Frieden, Stabilität und Wohlstand gewährt und sicherstellt. Die mythologische Figur der Creiddylad gilt als Vorbild für die Cordelia in Geoffrey of Monmouths „Historia Regum Britanniae“ und damit auch in William Shakespeares König Lear.

Cordelia, die jüngste und liebste Tochter des König Lear muss als Liebesbeweis zu ihrem alten Vater ein Drittel jedes Jahres in sein Königreich zurückkehren (der Vater symbolisiert damit den Winter).

auch: Creudylad, Cordelia Creirddylad, Creurdilad, Creudylad, Kreiddylat  

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